Folgender Text von Birgit erschien 2017 gedruckt im BiJou, der Zeitschrift des Bisexuellen Netzwerks.
Man beachte bitte die Schreibweise: polyRAUM
Die polyRAUM-Wochenenden
Treffpunkt für Bi’s, Queers, offene und polyamore Menschen
„Das war ein cooler Samstag“, sagte mir eine Teilnehmerin in dem gemütlichen Raum, in dem eine Handvoll Menschen abends am Boden im Kreis saß. Es war Ende 2014. Wir hatten uns in der Nähe von Grünstadt (Pfalz) getroffen, um einen ganzen Tag gemeinsam zu gestalten, uns auszutauschen und uns selbst ein wenig besser kennen zu lernen.
Wir waren zu siebt – eine ganz gute Anzahl für den Anfang. Das Thema, das wir uns für dieses erste Treffen gesetzt hatten, lautete: „Grenzen setzen, Wünsche äußern“. Samstags ab halb elf Uhr morgens beschäftigten wir uns damit, machten Übungen, diskutierten, spielten zur Auflockerung zwischendurch mal ein Geschicklichkeits- oder Fangspiel und aßen an einem üppigen Buffet unser mitgebrachtes Essen.
Am Ende hatten wir so viel in Gang gebracht und Verbindendes voneinander erfahren an Meinungen, Erfahrungen und Einstellungen, dass es uns schwer fiel, den Kennenlernprozess zu unterbrechen und nach Hause zu fahren. Immerhin waren wir von den anfangs formal wirkenden Übungen zu unserem Thema zu einem sehr persönlichen Austausch gekommen. Der Tag war gelungen – wir fühlten uns bereichert. Wir hofften auf weitere Treffen. In diesem RAUM hatte sich ein filigranes, vielfältiges, fein gesponnenes Netz neu gebildet. Der polyRAUM war geboren.
• BEGEISTERUNG
Ein polyRAUM-Wochenende bietet uns die Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen, wertschätzend zu kommunizieren, den eigenen Horizont infrage zu stellen und den Blick zu weiten. Er ist eine Plattform für Verständigung, inneres Wachstum und Sich-Kennen-Lernen. Das ermöglicht tiefen Kontakt und echtes Interesse an einander.
Was da entsteht, ist echt faszinierend: anfangs völlig fremde Leute wollen ein Wochenende gemeinsam erleben, etwas aufbauen, sich gegenseitig Raum geben, ihre Stärken stärken, Veränderungen hautnah miterleben – und sie gehen als gute Bekannte inspiriert und tief bereichert nach Hause.
Um uns diese Entwicklungen zu ermöglichen, gebe ich (Birgit) gern meine Zeit, mein Engagement und meine Zuversicht. Denn die Dynamik ist unbeschreiblich, die Begeisterung, die Inspiration, die Wärme, die aus dem Zugehörigkeitsgefühl entsteht.
Es ist ganz schwer, das, was da passiert und nicht passiert, anderen zu erklären, die noch nie so etwas erlebt haben. Durch die Dauer und die familiäre Atmosphäre kommen wir in einen tiefen Kontakt zueinander. Wir kaufen zusammen ein, kochen, essen und machen gemeinsam einen Plan, wie wir die Tage sinnvoll gestalten.
• WAS ES IST
Der PolyRAUM ist ein privat organisiertes Treffen. Es lebt von der Vernetzung untereinander und von den bereits geknüpften Verbindungen der Teilnehmenden; zum größten Teil sind das Menschen aus meinem polyamoren Bekanntenkreis. Die Zusammensetzung der Gruppe ändert sich ständig. Neue Gesichter sind willkommen. Es herrscht ein herzliches, wohlwollendes, freundlich-offenes Klima.
Es ist keine öffentliche Veranstaltung, zu der alle kommen dürfen, die kommen wollen, sondern es ist eine private Veranstaltung, zu der ich einlade, wen ich einladen möchte. Wenn wir uns also bereits kennen, stehen die Chancen auf eine Teilnahme ausgesprochen gut. Wichtig sind Mundpropaganda und persönliche Empfehlung. Und im Kontaktformular kann man eine Art „Bewerbung“ schreiben.
Gerne darfst Du die Mailadresse birgit …ät… schaff-dir-RAUM.de verbreiten. Natürlich mit @-Zeichen.
Wenn du uns vorab unverbindlich treffen magst (das wäre ideal), komm einfach mittwochs zu einem unserer Stammtische in Mannheim oder Heidelberg:
Polytreff in Heidelberg am 4. Mittwoch des Monats um 20 h on demand
oder am 2. Donnerstag 20 h in Mannheim im Gasthaus Uhland.
• UNSER „MOTTO“
-vernetzen und einander verstehen
-schenken
-mitgestalten
Es ist ein Wochenend-Treffen zwischen Wellness und Psychologie mit den Schwerpunkten Vernetzung und aktive Mitgestaltung. Wir pflegen eine Mitmach-Kultur und wollen uns unserer Individualität nach so gut als möglich verstehen.
• DAUER
In den ersten anderthalb Jahren dauerte der polyRAUM nur einen halben oder ganzenTag. Seit August 2016 dauert der polyRAUM auf Wunsch von von weit her anreisenden Menschen ein ganzes Wochenende, damit es sich auch für sie zeitlich lohnt. Und mittlerweile dauert er von Freitagabend bis Montagnachmittag, drei Nächte. Früher abzureisen ist problemlos möglich, aber beginnen wollen wir gemeinsam.
Entstanden ist die Idee, uns einen eigenen Raum für einen ganzen Tag zu mieten, weil in unserem Polytreff-Stammtischlokal die Ohren am Nachbartisch immer länger wurden, wenn wir uns über private Themen unterhielten oder wenn Emotionen hochkamen. Zudem können wir in einer Gaststätte keine Übungen im Raum machen, die verdeutlichen oder erfahrbar machen, um was es gerade geht.
• SCHWERPUNKTE
Alle dürfen und sollen etwas zum Gelingen des Ganzen beitragen und z.B. ein Spiel, Übungen, einen Vortrag oder einen Workshop anbieten. Niemand von uns ist Profi, wir helfen uns gegenseitig wie gute Freunde. Die Themen sind frei wählbar im Rahmen der Bereiche:
– Wahrnehmungs-Schulung,
– Kommunikation,
– Selbsterkenntnis,
– Polyamorie und
– Kreativität (auch Tanz, Malen, Impro-Theater o.ä.).
Das Feld ist weit. Verspielte Leichtigkeit und herzliches Lachen auf der einen Seite – Grenzerweiterung, Tiefe und Verbindung auf der anderen Seite. Eine schöne Mischung. Das ist bereichernd und macht Riesenspaß.
Hier nenne ich mal ein paar Themen-Beispiele von Workshops, die bereits stattgefunden haben:
Es gab einen Workshop „Beziehungs-Pakete“, einen über „wertschätzende Kommunikation“ oder einen anschaulichen Improtheater-Workshop „wie in Kontakt kommen?“. Bereits zwei Mal malten wir großformatige abstrakte Bilder und deuteten deren Inhalt in der Gruppe; eine gute Möglichkeit, uns zu zeigen und uns wechselseitig kennen zu lernen. Als Wellness standen mal Sauna in einer Therme, mal Waldspaziergänge oder bummeln und faul in der Sonne liegen auf dem Programm. Nicht zu vergessen zwei exzellente Gitarrenkonzerte auf hohem Niveau, die uns ein Teilnehmer darbot. Einen kontrovers diskutierten Vortrag über Spiral Dynamics und einen Lehrgang, in dem wir einige klassische Massagegriffe lernten, gab es auch schon. Runterfahren mit einer Atemmeditation darf natürlich auch nicht fehlen, und auch eine Philosophie-Runde, wenn der jeweils anbietende Mensch mal wieder in unserer Mitte weilt. Wir haben Grundtechniken des Weidenflechtens erlernt und danach lachend von unseren Verflechtungen auf polyamorer Ebene erzählt – alles, was Verbindung und Wärme schafft.
Es hat sich ein fester Kern gebildet, viele Menschen kommen immer wieder, Neue kommen dazu – aus einem Radius von mehreren hundert Kilometern. Sogar aus Wien, Frankfurt, Berlin, Hannover und dem Saarland kamen schon Menschen.
• FÜR WEN ES IST // ZIELGRUPPE
Der polyRAUM ist gut geeignet für Menschen mit reflektiertem Denken und mit der Bereitschaft, sich vorurteilsfrei und behutsam auf Neues einzulassen. Wir sind Menschen, die ihren inneren Reichtum genießen und mit anderen teilen.
Willkommen sind Menschen, die sich in unüblichen Beziehungsformen wie der Polyamorie zu Hause fühlen oder ihre Beziehung im beidseitigen Einverständnis öffnen möchten; dazu zählen auch Menschen, die in irgend einer Art queer (bi-, trans-, pan-, homo-, grey- oder asexuell etc.) sind. Es handelt sich aber definitiv NICHT um ein Sextreffen.
Der polyRAUM richtet sich ausschließlich an volljährige Menschen, die selbstverantwortlich für ihre Sicherheit, ihr Wohlbefinden und ihre körperliche und seelische Gesundheit sorgen können. Rücksichtnahme und das Respektieren von eigenen und fremden Grenzen sind unbedingte und selbstverständliche Voraussetzungen für die Teilnahme.
Nicht geeignet ist der PolyRAUM für Dogmatiker, Leute, die andere mit ihren Wünschen bedrängen, und Menschen, die einen Therapie-Ersatz suchen (z.B. Narzissten). Wir sind weder eine Selbsthilfegruppe noch eine therapeutische Gruppe. Wir sind eine Familie auf Zeit.
• WORKSHOPS
Bei den Workshops ist es wichtig, dass alle Anwesenden mitmachen können, so sie wollen. Die Angebote sollen also entsprechend niederschwellig sein. Parallel-Workshops sind nicht angedacht. Alle erstellen gemeinsam am Freitagabend im Konsens einen Wochenend-Plan. Die Anbietenden der Workshops bringen die benötigten Materialien von daheim mit.
Wir müssen nicht unbedingt Workshops machen. Rumsitzen und uns unterhalten genügt auch, …solange es kurzweilig und inspirierend ist. Wer braucht schon Stress am Wochenende? Ich nicht. Aber auch keine Langeweile. So sollten alle ein Köfferchen voll Ideen bei sich haben, mit denen sie den polyRAUM bereichern können.
Beispiele für Workshops, die stattgefunden haben:
Thema „Grenzen setzen, Wünsche äußern“
Thema „Nähe und Distanz“
„Du schaust mich ja so fürsorglich/verächtlich/überheblich… an“
„Berührung und berührt sein“
„Ausdruck, Ausstrahlung, Selbstdarstelllung“
„Authentizität und Ausflüchte“
„Wie gehe ich mit Ausgrenzung um?“
„Ernährung und Sättigung“
„Selbstakzeptanz“
„Ich brauche Euch, und ihr braucht mich“
„Verlustangst gegenüber Wut und Selbstvertrauen“
„Jahrestage und Beziehungsglück“
„Geld und Wertschätzung“
„Entscheidungsfindung im Zeitmanagement“
„Mal-Aktion“ (Bilder zeichnen oder malen)
„Selbstliebe im Land des Mangels“
„Zwischen Flipchart und Fressnarkose“ (Flipchart-Karaoke)
„Anerkennung spenden und annehmen: Mangelgesellschaft adé!“
„Der Raum zwischen uns: was Polyamorie mit Bindung zu tun hat“
„Zu dritt“ – Chancen und Herausforderungen
Vortrag über Polyamorie in Kaiserslautern vor Jugendlichen
Uni Frankfurt: Seminar gehalten „Grenzen: Schutz oder Gefängnis?“
Karlsruhe, Praxistalk über Polyamorie (Info-Vortrag gehalten)
• TERMINE / ANMELDUNG
Wenn Du Dich früh genug anmeldest, hast Du Deinen Platz sicher. Die Termine findest Du immer aktuell auf meiner Seite. Jeder Termin findet statt.
Schreibe mir eine Mail an Birgit …ät… schaff-dir-RAUM.de, das ist meine offizielle Mailadresse (natürlich mit @-Zeichen). Oder benutze die Kontaktfunktion dieser Webseite. Lass Dich auf den Verteiler setzen oder/und abonniere den Blog, um keinen Termin zu versäumen.
Wir streben eine Kontinuität in der Gruppengröße über das ganze Wochenende an; das hat sich bewährt. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam am Freitagabend mit einer Runde beginnen. Die Gruppe ist von Treffen zu Treffen nicht geschlossen, sondern offen, wir finden immer wieder in einer anderen Zusammensetzung zu einander. Zögere nicht, Kontakt aufzunehmen.
• ZWECK
„Mehr Wärme für die Welt“…! Ich persönlich hoffe, dass übliche und unübliche, monogame und polyamore Lebensformen weiterhin friedlich koexistieren können, in Deutschland und anderswo. Für so hohe Ziele wie die Völkerverständigung haben wir zwar kein Patentrezept, aber wir fangen beim polyRAUM mal im Kleinen damit an.
Und hey, weil wir es schön haben wollen, sorgen wir SELBST dafür, dass es für alle schön wird. Es wird das, was wir draus machen. Das Ganze lebt vom Schenken und vom Mitmachen. Du gehst reicher raus, als Du rein kamst, denn Du bringst Deine vorhandenen Fähigkeiten ein und schenkst sie der Gruppe – die anderen auch – welch ein reicher Austausch.
Die Organisation des polyRAUMs nimmt neben meinem Beruf und meinem Privatleben einen beachtlichen Zeitfaktor ein. Die Rückmeldungen der Menschen bestätigen mir, dass es sich lohnt – sie können sich hier verstehen lernen, sich einander öffnen und sich vernetzen. Das freut mich.
• INSPIRATION + VISION
Warum sind wir so begeistert und fasziniert von diesem Format? Wir sind hier frei. Alles ist entwicklungsoffen – und es hat dabei doch ein Mindestmaß an Struktur.
Frei sein und trotzdem verbunden sein, das ist meine Vision. Es ist ein Widerspruch und doch keiner. Ganz allein und frei stehen zu können und sich dennoch zugehörig zu anderen zu fühlen, bedingt einander – meine ich. Wer in der Lage ist, die Arme leicht und frei auszustrecken und sie nicht zum Abstützen zu brauchen, kann tragfähige Verbindungen schaffen.
Für mich persönlich drückt sich diese gut ausbalancierte, aufrechte Haltung am ehesten im polyamoren Lebenskonzept aus. Mich frei fühlen und trotzdem herzlich mit euch verbunden sein, darin liegt die Inspiration der polyRAUM-Treffen. Das gibt mir die nötige Energie, um diese „vielfältigen Räume“ weiterhin zu organisieren.
Warum ich Polyamorie gut finde?
Weil Polyamorie Reife erfordert. Wer polyamor lebt, lebt in einem sehr filigranen Beziehungsgeflecht mit viel Verbindlichkeit und Feingefühl, aber mit wenig vermeintlicher Sicherheit im „Goldenen Käfig der gesellschaftlich üblichen Strukturen“. Das heißt: ich muss auf eigenen Füßen stehen, auch emotional. Ohne Gelassenheit und ein stabiles Selbstwertgefühl geht Polyamorie nicht. Und ich liebe diese Herausforderung. Hier kann ich reifen.
Ich wünsche mir für uns alle, dass die Aufmerksamkeit, die wir uns schenken, die Zuversicht, unser gegenseitiges Wohlwollen und unser Vertrauen beim polyRAUM-Wochenende eine warme Atmosphäre schaffen …und positiv in die Zukunft wirken.
Ich grüße Euch herzlich,
Birgit